facharzt - DEPRIVATIONSST.
   
  Index
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  STÖRUNGEN DER SPRACHE UND DES SPRECHENS
  LERNSTÖRUNGEN
  ANGSTSTÖRUNGEN
  AFFEKTIVE STÖRUNGEN
  ZWANGSSTÖRUNGEN
  BELASTUNGS- UND ANPASSUNGST.
  PSYCHISCHE STÖRUNGEN MIT KÖRPERLICHER SYMPTOMATIK
  STÖRUNGEN DES SOZIALVERHALTENS
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  PERSÖNLICHKEITSST.
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  Kindschaftsrecht
  PSYCHOPHARMAKA
  PUB MED

 

21 DEPRIVATIONSSTÖRUNGEN
Vernachlässigung oder Beeinträchtigung des Bedürfnisses nach Bindung und emotionaler Zuwendung > eines der zentralen Risikoelemente für die kindliche Entwicklung (emotional, sozial, kognitiv)
Begriff Deprivation: Verarmung in Bezug auf emotionale Zuwendung und kognitive Verarmung; Intra- sowie extrafamiliäre Deprivationsbedingungen
21.1.1 KURZE TRENNUNGEN
Säuglinge und Kleinkinder: Weinen und Zeichen von Trennungsängstlichkeit, Versuchen prim. Bezugsperson zu folgen; Intensität von zuvor ablaufenden Trennungserfahrungen abhängig; Erfahrung, dass Bezugsperson nach kurzer Zeit wieder da ist, beugt belastenden erneuten Erfahrungen vor
Kurze Trennungen > adaptiven Charakter > nicht zu Entwicklungsbeeinträchtigungen
21.1.2 ELTERNVERLUST DURCH TOD
bei Kindern und Jugendlichen: kurze Phase der emotionalen Belastung (traurige Affekte, Weinen, Verlassensängste, aggressive Ausbrüche, Schulleistungs-störungen, regressive Verhaltensweisen); meist zeitlich befristet; emotionale Stabilisierung; Buben stärker als Mädchen; nicht notwendigerweise längerfristig pathogene Bedeutung
21.1.3 TRENNUNG ODER SCHEIDUNG
zentraler Risiko- und Belastungsfaktor: längerfristige Krise und Partnerbeziehungsstörung mit kontinuierlichen Beeinträchtigung des Familienlebens bereits vor Trennung; Konsequenzen> weitreichende Desorganisation der Familie; Eltern durch eigene emotionale Beteiligung und Verarbeitungverunsichert; soziale Einschränkungen; gegenseitiges Untergraben der elterlichen Autorität; Streit und Kampf gegeneinander;
Parental Alienation Syndrome= von einem Elternteil hervorgerufene Entfremdung des Kindes gegenüber dem anderen Elternteil; etwa ein Jahr nach der Trennung Adaptation;
Phasen d. Verarbeitung: unmittelbar n. Trennung m. hoher Wahrscheinlichkeit Entwicklung emotionaler u. dissozialer Störungen, Leistungsabfall in Schule, Schwierigkeiten d. sozialen Integration, von Umwelt weniger pos. aufgenommen;
·         Vorschulalter: regressives Verhalten, befürchten auch verbleibenden Elternteil zu verlieren, Schlafstörungen, Spielhemmung, weinerlich-depressive Reaktionen
·         Frühen Schulalter: depressive Verstimmung, Wunsch nach Wieder-vereinigung, Furcht vor erneuten Partnerschaft, Loyalitätskonflikte
·         Ältere Schulkinder: Schuldzuschreibung, Parteinahme
·         Jugendliche: variable Verhaltensweisen; zunehmende Reifung mit Übernahme neuer Aufgaben und Pflichten, deutlichen Abgrenzung gegenüber den Problemen der Eltern;
Familiäre Disharmonie vor und nach der Trennung= entscheidende Risikofaktor!
 
21.1.4 KRANKENHAUSAUFENTHALTE
Initialphase des Protestes mit heftigem Weinen und Unruhe > mittlere Phase des apathischen und hoffnungslosen Rückzugs > bei längeren Aufenthalten: Phase der Bindungsauflösung gilt nicht notwendigerweise für alle Kinder und Altersgruppen
Zusammenwirken verschiedener Risikoelemente:
·         Störfaktoren im Krankenhaus: Arbeitsroutine (restriktive Besuchszeiten, frühmorgendliche Wecken, autoritäres Verhalten von Schwestern und Ärzten); Gefühl eines ohnmächtigen Ausgeliefert- und Verlassenseins mit ängstlich herabgestimmten Inhalten
·         Persönlichen Faktoren des Kindes: Art der Erkrankung, somatische Allgemeinzustand, Position in der Familie, vorausgegangene traumatische Erfahrungen,Krankheitserfahrungen, chron. kranke Kinder= besondere Risikogruppe; Alter (reagiert entsprechend Entwicklungsstand); besonders gefährdet Säuglinge und Kleinkinder (6 Monate– 4 Jahre); Früh- und Mangelgeburten: Extremgruppe mit besonders ungünstigen biologischen Voraussetzungen
·         Elterliche Bedingungen:Qualität der Bindung, Ausmaß und Qualität der Vorbereitung auf den Krankenhausaufenthalt, Verfügbarkeit im Krankenhaus, Hilfe für Kind bei der Bewältigung krankheitsbedingter Einschränkungen
Primäre Prävention: Vermeidung von Hospitalisierungen bei Kleinkindern, uneingeschränktes Besuchsrecht für Eltern, Rooming-in, angemessene Vorbereitung des Kindes auf Untersuchungen etc., kindgerechte Ausstattung, Struktur der Krankenhauspflege und –organisation
21.1.5 HEIMUNTERBRINGUNG
abhängig von Alter und Dauer; Heimunterbringungen in den ersten zwei bis drei Lebensjahren Risiko für die Sozialentwicklung; auf das erste Lebensjahr beschränkt > nicht notwendigerweise überhaupt negative Folgen;
Verlauf: Vielzahl d. Heimkinder als Erw. psychosoziale Probleme (Persönlichkeitsstör., Delinquenz, Kriminalität, Stör. Partnerschaft/Elternschaft)
Ergebnis von drei Bedingungselementen: 1. Vorausgegangene ungünstige Familienverhältnisse; 2. Heimunterbringung; 3. Lebensbedingungen danach.
Selbst schwerst deprivierte Säuglinge später unter angemessener Fürsorge Entwicklungskompensation; selbst im Erwachsenenalter durch Unterstützung ihrer Partner Scheitern verhindert;
Andererseits Ketten der kontinuierlichen Benachteiligung können Generationenkreislauf in Gang setzen (frühe Schwangerschaft, Vernachlässigung, Heimunterbringung der nächsten Generation?)
21.1.6 TAGESPFLEGE
Gleichsetzung mit Heimunterbringung nicht berechtigt: gute Pflege, Kinder nicht jünger als 3 Jahre, stabile Beziehung aufgrund persönlicher Kontinuität zur Pflegeperson, keine Zeichen familiärer Disharmonie;
Studienlage widersprüchlich;
Im ungünstigsten Fall: Kumulation mütterliche Berufstätigkeit mit wenig befriedigender Tätigkeit, Doppelbelastung Familie/Beruf, sozioökon. Benachteiligung.
Mögliche positive Faktoren: Sozialentwicklung durch Gleichaltrige positiv beeinflusst, Lernerfahrungen, Motivation, Gruppenverhalten, Hierarchie an Bindungen (Mutter an oberster Stelle)
21.1.7 FOLGEN DER DEPRIVATION
viele Annahmen der klassischen Deprivationslehre heute nicht mehr/ nur in modifizierter Form aufrechterhalten; gestörte familiäre Verhältnisse weit größere Bedeutung für die Entwicklung von abweichenden Verhalten und psychischen Störungen als einmalige Verlusterlebnisse
spezielle Gefährdungen durch früh einsetzende und lang anhaltende Heimunterbringungen mit häufig wechselnden Bezugspersonen; Beeinträchtigung der Intelligenzentwicklung, emotionalen und dissozialen Störungen, Distanzlosigkeit, unkritische Kontaktaufnahme; Verläufe variabel
Auswirkungen ab einer Unterbringung > 6 Monate bedeutsam zunehmend; jedoch nicht zwangsläufig psych. Störung;
kleine Gruppe extrem deprivierter Kinder mit quasi-autistischen Verhaltensmustern, Unaufmerksamkeit und Überaktivität
Bindungsstörungen m. Enthemmung n. Heimunterbringung lange danach;
Deprivation vor Alter von 6 m: keine Auswirkung auf Sprache u. kognitive Entw.;
Schwere Deprivation evtl. strukturelle Veränderungen des Hirns im Jugendalter: Verringerung d. grauen u. weißen Substanz, vergrößertes Volumen d. Amygdala
 
 
21.2 BINDUNGSSTÖRUNGEN
 
F94.1 Reaktive Bindungsstörung:
·         abnormes Beziehungsmuster zu Betreuungspersonen vor dem Alter von 5 Jahren entwickelt
·         emotionale Störung
·         Gedeihstörung mit Wachstumsverzögerung (fakultativ)
·         Nahezu immer im Kontext von Vernachlässigung und Misshandlung
·         Gehemmtheit und sozialer Rückzug
F94.2 Bindungsstörung des Kindesalters mit Enthemmung:
·         Diffusität im selektiven Bindungsverhalten während der ersten 5 LJ
·         Schwierigkeiten beim Aufbau enger, vertrauensvoller Beziehungen bei Gleichaltrigen
·         Evtl. begleitende emotionale Störungen bzw. Störungen des SV
·         In Vorgeschichte meist mangelnde Kontinuität der Betreuungspersonen/Wechsel in Familienplatzierung
Häufigkeit:keine verlässlichen Angaben; Studien von Kindern mit Institutionalisierung mehr als ein Drittel diffuses Sozialverhalten
KLINIK UND DIAGNOSTIK:
reaktive Bindungsstörung:
·         Anhaltend abnorme Beziehung zu Bezugspersonen, vor 5. LJ.
·         Widersprüchliche oder ambivalente Reaktionen auf Bezugspersonen, im Kontext einer schweren elterlichen Vernachlässigung oder Misshandlung
·         Ängstlichkeit gegenüber Erwachsenen, Kontaktrückzug, fehlende soziale Anpassung, Überwachsamkeit, soziale Reaktionen pendeln zwischen Annäherung und Rückzug
·         Bei einigen Kindern zusätzlich körperliche Gedeihstörung
·         Komorbide Symptome: autismusähnliche Verhaltensmuster, Aufmerksamkeitsdefizit, Hyperaktivität, Enthemmung
Bindungsstörung mit Enthemmung:
·         Multiple oberflächliche Beziehungen mit
·         Mangelnder Selektivität gegenüber Bezugspersonen
·         Persistiert auch bei veränderten Milieubedingungen meist
·         Kleinkindalter: anklammerndes, diffuses und wahlloses Bindungsverhalten
·         Ab etwa 4 Jahren aufmerksamkeitssuchendes und undifferenziert freundliches Verhalten
·         Komorbide Störungen: autismusähnliches Verhalten, Symptome hyperkinetischer Störungen, Symptome einer reaktiven Bindungsstörung
Diagnostik: wiederholte Verhaltensbeobachtung, sorgfältige Anamnese der Betreuungsverhältnisse, umfassende Entwicklungsdiagnostik einschl. Sprache und körperlicher Symptome, Beurteilung der Bezugspersonen (Einstellung zum Kind, erzieherische Kompetenz, Psychopathologie)
DD: Autismus-Spektrum-Störungen (reaktive Bindungsstörung); HKS, Asperger-Syndrom, direkten Deprivationsfolgen nach längeren Hospitalisierung (Bindungsstörung mit Enthemmung)
Beobachtung der Beziehung zu Bezugsperson:
·         Ausdruck von Affekt und Nähe
·         Ausmaß an Kooperation
·         Unfähigkeit, sich bei Bezugsperson Hilfe zu holen
·         Ausgeprägte Abhängigkeit und Anklammern
·         Offene Furcht und Besorgnis gegenüber Bezugsperson
·         Unvermögen, die Bezugsperson als sichere Basis für Erkundungsverhalten zu nutzen
Zusätzliche Informationsquellen: Berichte der JWF, Arztbriefe...
ÄTIOLOGIE:
reaktiven Bindungsstörung: Vernachlässigung und Misshandlung; biologische Bedingungen durch Risikofaktoren in der Perinatalanamnese; Bindungsstörung ungünstige Auswirkungen auf Hirnentwicklung
Bindungsstörung mit Enthemmung: Folge einer Institutionalisierung, Mangel an persönlicher Bindung und Betreuung, Möglichkeit einer intrafamiliären Deprivation
 
THERAPIE UND VERLAUF:
·         elternbezogene Interventionen
o   praktische u. kontinuierliche Unterstützung d. Sozialarbeit u. –pädag.
o   Training in Problemlösefertigkeiten
o   Paarberatung bei Beziehungsproblemen
·         Kindbezogene Interventionen
o   Verbesserung der Sozialkompetenz
o   Sensibilisierung für eigene Gefühle und Empathie
o   Erhöhung des Selbstwertgefühls
·         Eltern-Kind-Interaktion
o   Wahrnehmungen und Einstellungen der Eltern zu verändern
o   Bedürfnisse des Kindes zu erkennen und altersgemäß zu beantworten
o   Grenzen konsistent und wirksam zu setzen
o   Kompetenz in der Umsetzung dieser Verhaltensweisen unter therapeutischer Anleitung zu trainieren
·         Kinder aus Hochrisikofamilien >Platzierung in geeignete Pflegeverhältnisse/ institutionelle Betreuungsform> Verfügbarkeit einer neuen primären Bezugsperson
Verlauf: große Variabilität; abhängig von Qualität und Wirksamkeit der Interventionen; bei längeren institutionellen Versorgung Risiko für bleibende psychische Folgeschäden; späte Adoption > schlechte Chancen
 
 
 
21.3 FRÜHKINDLICHE GEDEIHSTÖRUNGEN
 
Wachstums- und Entwicklungsstörung des Säuglings- und frühen Kleinkindalters auf dem Boden gestörter Bindungsverhältnisse
 
Diagnostische Kriterien:
 
·         Gewicht < 3. Perzentile, steigt nach Aufnahme einer angemessenen Anregung und Ernährung an
·         Entwicklungsverzögerung, reversibel
·         Keine Hinweise auf organisch begründete Krankheiten
·         Hinweise auf Deprivations-/ Misshandlungsbedingungen
·         Geburtsgewicht und Gestationszeit im Normalbereich
·         Eltern sind nicht kleinwüchsig
4 verschiedene Manifestationsformen:
·         Klassische, oben definierte Bild
·         Analoges Bild mit zusätzlichen klinischen Symptomen wie Rumination, akuten bzw. rezidiv. Respirator. Störungen, Anämien od.neuromusklulären Störungen
·         Frühkindliche Gedeihstörung in Verbindung mit Kindesmisshandlung
·         Primär systematische Erkrankung trägt indirekt zur frühkindlichen Gedeihstörung bei, ohne die Deprivationsbedingungen ausgelöst zu haben
Häufigkeit: keine verlässlichen Zahlen wegen Tendenz zur Verschleierung
 
 
KLINIK UND DIAGNOSTIK
Zeitpunkt der Deprivationsbedingungen:
·         Ersten LJ.: schwer kachektisch, ungewöhnliche Aufmerksamkeitszuwendung, Verminderung von Lächeln und Vokalisation, irritabel, störbar, Fütterungsprobleme, Entwicklungsverzögerungen
·         2.Hälfte des 1. LJ.:fehlende Bindung an die Eltern, fehlende ängstliche Reaktionen beim Verlassenwerden und ausbleibendes Fremdeln, mangelnde Vokalisation, Apathie
·         nach 1. LJ.:Bindungsdefizit, ausgeprägten Entwicklungsverzögerungen, Störungen im SV, aggressives Verhalten gegenüber Eltern, distanzlose Kontaktaufnahme zu Fremden, somat.: Kontusionen, Frakturen
·         Kleinkindalter: psychosozialer Minderwuchs
Familiärer Kontext: vielfältige Risiko- und Belastungsfaktoren; häufig ungeplante/ ungewollte Schwangerschaft; auffällige Mütter (soziale Isolation, Inkompetenz, Selbstwertprobleme, Antriebsschwäche, nicht selten selbst Opfer früherer Vernachlässigung/ Misshandlung, Depressionen, Alkohol- und Drogenabhängigkeit, Angst, suizidale Krisen); Väter (Arbeitslosigkeit, Alkoholismus, mangelnde Verfügbarkeit, Desinteresse); schwere Partnerbeziehungsstörungen (Disharmonie, Streit, fehlende Stabilität, Unzufriedenheit); sozioökonomische Benachteiligung (Armut, schlechte Wohnverhältnisse, große Familie, Abhängigkeit von Sozialhilfe);
 
DD:organische Ursachen (chron. Infekte, Vitaminmangel, Malabsorptionssyndrome, vermehrter Substanz- und Energieverlust, Stoffwechselerkrankungen, Allergien, Wurmerkrankungen Organerkrankungen)
Diagnose in erster Linie an positiven Kriterien orientieren, extensiv betriebene Differenzialdiagnostik potenziell traumatisierend, verlängert Phase bis zur Therapieeinleitung
 
ÄTIOLOGIE
mütterliche Deprivation: Mangel bzw. Störung der emotionalen Zuwendung
Zusammenwirken mehrer Faktoren:
·         Psychologische Faktoren Mutter
·         Störung der Mutter-Kind-Beziehung: auch kindliche Bedingungen oder Verhaltensweisen (Krankheiten, Behinderungen, Fehlbildungen) Auswirkung > wechselseitiger Prozess
·         Umweltbedingungen: vielfältige Belastungs- und Risikofaktoren (sozioökonomische Faktoren, gestörte Partnerschaft, psychische Auffälligkeiten der Partner, mütterliche Berufstätigkeit, längere Krankenhausaufenthalten
·         Lebensgeschichtliche Entwicklung der Mutter (eigene Vernachlässigung/ Lebensgeschichte, soziale Benachteiligung, niedrige Intelligenz > mangelndes Wissen über Pflege, Erziehung etc.)
 
THERAPIE UND VERLAUF
Behebungder körperlichen Symptome, der Entwicklungsverzögerung und der Deprivationsbedingungen
·         Krankenhausaufnahme: Behebung des kalorischen Defizits sowie Anregungsdefizits; Ausschluß organischer Ursachen
·         Psychologische Anleitung mit frühzeitiger Beteiligung der Eltern v.a. oft unerfahrenen Müttern
·         Intensive Sozialarbeit
·         Neben psychologischen Beratung, psychiatrische Behandlung (Veränderung der deprivierenden Bedingungen, Einleitung entwicklungsfördernder Maßnahmen)
·         Bei Kooperation der Eltern Rückführung in Familie mit Fortführung sozialpädagogischer und entwicklungsfördernder Maßnahmen
·         Heimunterbringung bei massiver Ablehnung des Kindes durch die Mutter
·         Ablehnende und aggressive Affekte gegenüber Personal> Gefühle von Schuld und Unzulänglichkeit
Verlauf:         während stationären Behandlung in allen Entwicklungsqualitäten Fortschritte, klinische Symptomatik reversibel; langfristig bedeutsame Risiken (Schulalter: persistierendes Untergewicht, vermindertes Wachstum, häufig Störungen im Verhalten u. in der Emotionalität, Sprachentwicklungsverzögerungen, Minderung der Lesefertigkeiten, Schulleistungsstörungen, Essstörungen)
 
21.4 PSYCHOSOZIALER KLEINWUCHS
Wachstumsbeeinträchtigung, durch die Aufhebung der pathogenen psychosozialen Bedingungen reversibel
In keinem der international gebräuchlichen Klassifikationssysteme angemessen berücksichtigt; eher in Kinderkliniken diagnostiziert
·         Körpergröße unter der 3. Perz. und verzögerte Epiphysenfugenreifung
·         Schwere psychische Störung mit hoch abnormem Essverhalten, Störung des Schlaf-wach-Rhythmus, herabgesetzter Schmerzempfindlichkeit, ausgeprägten Entwicklungsverzögerungen
·         Deprivierende Umwelt, meist schwere Beziehungsstörung zw. Mutter u. Kind
·         Abnorme endokrine Funktionen, Serumbefunde und radiologischen Zeichen
·         Typischerweise im Kleinkindalter
·         Reversibilität sowohl der körperlichen wie auch der psychischen Störungen durch Aufhebung der deprivierenden Bedingungen
Häufigkeit: keine verlässlichen Zahlen; keine ausgeprägte Geschlechtsprävalenz; enge Bezüge zur frühkindl. Gedeihstörung u. Kindesmisshandlung; häufig übersehen
KLINIK UND DIAGNOSTIK
·         abnormes Essverhalten trotz Verfügbarkeit (Abfälle, Wasser aus WC, Tierfutter, Stehlen und Horten) > HYPERPHAGE KLEINWUCHS
·         Schlafstörungen (Suche nach Nahrung)
·         Schmerzunempfindlichkeit, Automutilation
·         Entwicklungsverzögerungen (Motorik, Intelligenz)
·         Verhaltensauffälligkeiten (Enuresis, Enkopresis, sozialer Rückzug, Beziehungsstörungen, aggressive Wutausbrüche, motorische Unruhe, Apathie)
·         Schwere Störung zw. Mutter und Kind (Mutter psych. auffällig)
·         Schwere Partnerbeziehungsstörungen (Alkoholismus, mangelnde Präsenz/ Kompetenz)
·         Endokrine Funktionsstörungen (Kortisol, Somatomedin)
·         Laborchem. Auffälligkeiten (länger als 48 h anhaltende Trübung des Serums)
·         Abnorme radiologische Befunde (Verdichtungen in Form von transversalen Linien am Ende der langen Röhrenknochen > Wachstumsstopp mit anschließendem erneuten Wachstum; vorübergehende Dehiszenz der Schädelnähte in der Phase des Aufholwachstums)
Diagnostik: klinische Symptomatik, Reversibilität (Laborbefunde, radiolog. Befunde)
DD: endokrin, zytogen, renal, metabolisch, konstitutionell bedingter Kleinwuchs
ÄTIOLOGIE: Deprivationshypothese keine ausreichende Erklärung
·         Störung der Mutter-Kind-Beziehung (Aufholwachstum- neue verlässliche Bezugsperson); Zusatzhypothesen:
o   Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus (Sekretion d. Wachstumshormonsv. a. wd. der Nacht >Somatomedin)
o   Neurale Regulationsstörungen der Wachstumshormonsekretion > neuroendokrine Systemstörungen auf Ebene v. Cortex/Hypothalamus)
o   Neurotransmitterstörungen im dopaminergen oder adrenergen System
o   Störung der Endorphine mit analgetischer Wirkung
o   Nutritive Faktoren
THERAPIE UND VERLAUF
·         Stationäre Aufnahme (Schutz, DD)
·         Sozialpädagogische Maßnahmen
·         Umfassendes Förderungsprogramm, sorgfältige Erfassung der Entwicklungsdefizite
·         Unterbringung in Pflegefamilie, WG
·         Mütter unabhängig vom Verbleib der Kinder sozialpädagogische, beratende und stützend-therapeutische Hilfen
Verlauf: kurzfristig erfolgreich; körperliche Funktionsstörungen reversibel; Entwicklung mit Größe und Intelligenz positive Korrelation; Intelligenzentwicklung bedeutsam mit Umweltbedingungen (raus aus Familie!)
 
21.5 KINDESMISSHANDLUNG UND VERNACHLÄSSIGUNG
·         Emotionale Misshandlung:
·         Missachten
·         Terrorisieren
·         Ausbeutung oder Bestechung, die das Kind zur Entwicklung von unangemessenem Verhalten ermutigt
·         Verleugnung emotionaler Zuwendung
·         Zurückweisen
·         Isolieren
·         Unzuverlässige und inkonsistente Erziehung
·         Vernachlässigung der seelischen Gesundheit, medizinischer und erzieherischer Bedürfnisse
·         Beobachtung intimer Gewalt unter den Partnern (häusliche Gewalt)
·         Körperliche Kindesmisshandlung: strafbare Handlungen
·         Verletzungen bzw. schwerwiegende Gefährdungen der körperlichen Gesundheit eines Kindes (Sonderformen: sex. Missbrauch, Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom)
·         Vernachlässigung (Ernährung, Kleidung, Unterkunft, fehlende Gesundheitsfürsorge...)
·         Klassifikation:
·         Leichte Formen (Quetschungen, Schürfungen, offene Wunden der Haut, Verbrennungen, Frakturen als Folge von Misshandlungen)
·         Schwere Formen= BATTERED-CHILD-SYNDROME: subdurales Hämatom, Frakturen d. langen Röhrenknochen, Weichteilschwellungen
Häufigkeit: leichte Formen 10x häufiger; häufig übersehen; Verschleierungs- und Verheimlichungstendenzen (USA: Schätzungen auf einen aufgedeckten Fall 15-20 unaufgedeckte Fälle); bei aufgedeckten Fällen: 2/3 Kleinkinder unter 6 Jahren; beide Geschlechter gleich häufig; ab Pubertät Mädchen häufiger; bei 1/3 bis ½ mehr als ein Kind betroffen; Milieu: große, kinderreiche, oft d. Trennung/Scheidung, Unterschicht
KLINIK UND DIAGNOSTIK
Das misshandelte Kind
·         Entwicklung meist verzögert: von geistigen Behinderung bis Verzögerung der sprachlichen und motorischen Entwicklung,neurolog. Reifungsverzögerungen
·         Verhalten:
o   Säugling: irritabel, verzögert, affektiv flach, zurückgezogen, Essstörungen, „gefrorene Aufmerksamkeit“, ohne affektiv zu kommunizieren, keine Trennungsangst
o   Kleinkind: Entwicklungsverzögerung, Spielunfähigkeit, ziellose, unvorhersagbare Verhaltensweisen
o   Schulalter: hyperaktiv, impulsiv, frustrationsintolerant, akute Angstzustände, Gefühle der Hoffnungslosigkeit, ängstliche Zurückhaltung, aggressives und destruktives Verhalten
o   Jugendlichenalter: bis hin zu delinquentem Verhalten
·         Persönlichkeit: Selbstwertgefühl, Traurigkeit, Wertlosigkeit, Aggression, Dissozialität, Automutilation, Depression, Substanzmissbrauch, suizidale Handlungen, Beziehungsstörungen
·         Teufelskreis... Schulversagen (Folge von Lernstörungen, HKS, Aufmerksamkeitsdefizit, Entwicklungsbeeinträchtigung)
Der misshandelnde Täter
·         Ganz überwiegend leibliche Eltern; häufig selbst beeinträchtigten Entwicklung in eigenen Vergangenheit
·         Deprivierte Sozialisation (Scheidung, sozioökonomische Belastung, IQ, belastende Lebensumstände, Krankheiten, Armut, Arbeitslosigkeit..)
·         Eltern-Kind-Interaktion: seltener positiv zugewandt, Drohungen, Ermahnungen, bei Säuglingen und Kleinkindern mangelnder Blickkontakt, reziproke soziale Austausch zwischen beiden Interaktionspartnern fehlt, Kind Projektionsfeld von unangemessenen Rollenzuschreibungen und Identifikationen, Verlagerung von Aggression
Untersuchung
·         Anamnese:
o   Unerklärliche Verzögerung/ Unterlassung d. Behandlung n. Verletzung
o   Widersprüchliche, nicht plausible Anamnese
o   Mit körperlichen Symptomen nicht vereinbare Anamnese
o   Anamnese mit Verdacht auf wiederholte Verletzungen
o   Eltern beschuldigen Geschwister oder Dritte für Verletzungen
o   Zahlreiche verschiedene Ärzte und Krankenhäuser wegen Verletzungen
o   Eltern als Kind Opfer von Misshandlung
o   Eltern unrealistische oder altersunangemessene Erwartungen gegenüber dem Kind
·         Symptome:
o   Hautabschürfungen und Schwellungen an Gesäß, Rücken, Genitale, inneren Oberschenkeln (evtl. Strafe für Einnässen/ Einkoten)
o   Haut und Weichteilverletzungen in verschiedenen Heilungsstadien
o   Zeichen einer wiederholten Misshandlung
o   Hautverletzungen mit bes. Konfiguration (Hand, Griff, Kniff, Riemen...)
o   Brandwunden (multiple Zigarettenverbrennungen, Hand- und Fußverbrühungen, Brandwunden an Damm und Gesäß)
o   Bauchtrauma mit Leber- und Milzruptur
o   Subdurales Hämatom mit oder ohne Schädelverletzungen
o   Röntgenologische Zeichen wie subperiostale Blutungen, Epiphysen-trennungen, metaphysäre Bruchstücke, Auffälligkeiten des Periosts
o   Augenverletzungen(Retinablutungen/ablösungen, dislozierte Linsen)
DD: Knochenkrankheiten (Osteogenesisimperfecta, Osteomyeltis, Rachitis), Blutungsstörungen (Hämophilie, verschiedene Purpuraformen), Unfälle oder Misshandlungen durch ältere Geschwister
ÄTIOLOGIE
·         Risikofaktoren beim Kind: behinderte, kranke, frühgeborene Kinder, elterliche Erwartungen werden nicht erfüllt, uneheliche Kinder, Stiefkinder, aus Heimen rückgegliederte Kinder, ungünstige Temperamentsmerkmale (reduzierte Adaptionsfähigkeit, Entwicklungsrückstände, psych. Störungen)
·         Risikofaktoren beim Täter:Lebensgeschichte der Eltern, junges Alter, Störungen der eigenen seelischen Befindlichkeit, intrafamiliäre Funktions- und Beziehungsstörungen
·         Lebensbedingungen: Armut, materielle Entbehrungen
·         Soziales Umfeld: Defizite bei Wohnverhältnissen, sozialen Integration, ökonomischen Ressourcen; andererseits: gesellschaftl. Kontrollinstanzen eher bei Angehörigen unterer Sozialschichten; Mittel- und Oberschichten möglicherweise typischeren Form der emotionalen Vernachlässigung mit emotionalen Beziehungslosigkeit und Indifferenz, mit Entwertung und Überprotektion
·         Gesellschaft und Kultur: Einstellung zu Gewalt, Körperstrafe, Vermittlung von Erziehungsnormen, Prägung familiärer Lebenswelten
 
THERAPIE UND VERLAUF
Schutz des Kindes!!!!!!!!!!!!!!!!
·         Wünschenswert: Verbleib des Kindes in Fam. u. rehabilitative Arbeit m. Fam.
·         Zumindest vorübergehend geeignete Einrichtung/ Pflegefamilie
·         Ziele der therapeutische Elternarbeit:
o   Krisenintervention zur Entlastung
o   Aufbau von Vertrauen in Therapeuten und andere Bezugspersonen
o   Verbesserung des chronisch entwertenden Selbstwertgefühls
o   Abbau der sozialen Isolation
o   Bereitstellung eines positiven Modells
o   Bearbeitung der elterlichen Fehlwahrnehmung
o   Erziehungstechniken, Disziplinierung ohne Misshandlung
o   Information über Kindererziehung und –entwicklung
o   Vermittlung über Einsicht in den Generationenzyklus
o   Erfahrung von Freude aus dem unmittelbaren Umgang mit dem Kind
·         Mehrdimensionales Behandlungsprogramm: stützenden PT für Eltern, Beratung, Elterntrainig, Gruppentherapie, ambulante Nachsorge
·         Krisennotdienst, Kinderschutzgruppe
·         Behandlung des Kindes: längerfristiger therapeutischer Prozess
o   Säuglings-/Kleinkindalter: motorische, sensorische, emotionale und soziale Stimulation; Beziehungsfähigkeit aufbauen; nach Möglichkeit Fehlwahrnehmungen des Kindes korrigieren
o   Schulalter: Einzelpsychotherapie, Gruppentherapie, funktionelles Training zur Verbesserung von Lern- und Leistungsstörungen, Spieltherapie; Gefühl von Selbstwert und Identität entwickeln; sozialpädagogische Maßnahmen; lerntheoretisch strukturierte Förderprogramme
Verlauf: abhängig von Zeitpunkt der Identifizierung, Therapiebeginn, kompetenten Diagnostik, protektiver und rehabilitativer Maßnahmen, Alter des Kindes, Dauer der Misshandlung;
Wiederholungsgefahr! Todesfolge!
Erniedrigte Intelligenz, emotionale Störungen, selbstdestruktives Verhalten, mangelnde Impulssteuerung, Generationenkreislauf;
 
21.6 DAS MÜNCHHAUSEN-STELLVERTRETER-SYNDROM
beim Kind körperliche Störung manipulativ erzeugt, die unnötige diagnostische Untersuchungen, Operationen sowie Behandlungen nach sich ziehen;
meist durch Mütter/ mütterliche Bezugspersonen; häufig fehldiagnostiziert
KLINIK UND DIAGNOSTIK
Symptome:Blutungen, zerebrale Apathie, Komazustände, rezidivierende Durchfälle/ Erbrechen, unklares Fieber, Hautausschläge, Simulation von Laborbefunden (Salz/ Flüssigkeit in Blutproben), Gaben von überdosierten Medikamenten/ Laxantien; Mütter selbst Merkmale eines Münchhausen-Syndroms; enge und unterstützende Beziehung zum behandelnden Personal, oft gute medizinische Kenntnisse/ entsprechende Ausbildung; Beziehung zum Kind übermäßig besorgt/ ungenügend distanziert; in eigenen Entwicklung teils selbst körperlicher/ sexueller Missbrauch; depressive Störungen, Gefühl der Isolation, Substanzmissbrauch, Essstörungen, ausgeprägten Persönlichkeitsstörungen; Väter meist passiv, wenig erreichbar, ignorieren/ leugnen Handlungen ihrer Frauen, vereinzelt sogar Komplizen;
Folgen: umfangreiche, oft schmerzreiche Diagnostik, häufige, längerfristige Krankenhausaufenthalte bis zu gefährlichen behandlungen einschließlich Todesfolge
Diagnostische Schritte:
·         Trennung von Mutter und Kind (Symptomverlauf, Schutz)
·         Sorgfältige Familienanamnese (Störungen, dysfunktionale Beziehungen)
·         Vollständige medizinische Anamnese des Kindes, seiner Eltern und aller Geschwister; Überprüfung durch Krankengeschichten
·         Symptome nur in Gegenwart des Elternteils?
·         Wiederholte toxikologische Überprüfungen von Laborproben
·         Überprüfung von Laborproben (Rh-Faktor > Eltern...)
·         Stuhlanalysen >Laxantien
·         Psychiatrische Untersuchung des verantwortlichen Elternteils
·         Sorgfältige Dokumentation sämtlicher Befunde
Zeichen (Jones und Mitarbeiter 1986)
·         Anhaltende/ wiederkehrende Krankheiten ohne identifizierbaren Grund
·         Diskrepanz zwischen Anamnese und klinischen Befunden
·         Symptome und Zeichen, die bei Trennung von der Mutter nicht auftreten
·         Ungewöhnliche Symptome/ Zeichen/ Verläufe> klinisch keinen Sinn
·         DD für Störungen, die seltener als das Münchhausen-Stvr.-Syndr. Auftreten
·         Anhaltendes Therapieversagen ohne klaren Grund
·         Ein im Vergleich zum Arzt weniger beunruhigter Elternteil
·         Wiederholte KH-Aufenthalte/ Untersuchungen ohne klare Diagnose
·         Ständig am Bett sitzender Elternteil, der Personal lobt, sich stark an das Personal bindet und an der Versorgung anderer Patienten beteiligt ist
·         Elternteil, der sogar schmerzhafte Untersuchungen für sein Kind begrüßt
ÄTIOLOGIE
Mütter: auffällige Persönlichkeit, Kind massive Abhängigkeit, hindern Individuation;
Väter: ungenügend engagiert und sensibilisiert
Ärzte: nicht genügend wachsam
THERAPIE UND VERLAUF
·         Schutz für das Kind!!!
·         ÄRZTE: MUT VERDACHTSDIAGNOSE FRÜHZEITIG ZU ÄUßERN
·         Mehrdimensionaler polyprofessioneller Ansatz
·         lt. Erfahrungsberichten bei Aufdeckung keine weitere Wiederholungsgefahr
·         Trennung Mutter Kind, evtl. längerfristige Unterbringung
·         Detaillierte kinderpsychiatrische und -psychologische Konsiliaruntersuchung
Verlauf: ohne Aufdeckung Wiederholungsgefahr, schwere Beeinträchtigung der körperlichen, seelischen und schulischen Entwicklung, emotionale und dissoziale Störungen, Lernstörungen bis hin zur Tötung
 
 
 
 
21.7 SEXUELLER MISSBRAUCH
·         Gegenüber dem Kind erzwungenes sexuelles Verhalten und/ oder
·         Sexuelle Aktivität zwischen einem Kind und einem beträchtlich älteren Menschen, wobei eine pragmatische Feststellung eine Mindestdifferenz von fünf Jahren Altersunterschied zugrunde legt
·         Ausnutzung eines abhängigen, in seiner Entwicklung noch unreifen Wesens, noch nicht in der Lage abgewogene Zustimmung zu geben
Ø Strafverfolgung
Ø 4 Formen:
- Zuschaustellung von sexuellen Akten, Pornographie u. Exhibitionismus
- Berühren der Genitalien des Kindes bzw. die Aufforderung zur Berührung/ Masturbation
- Sexueller Verkehr (vaginal, oral, anal) ohne Bedrohung, häufig über längeren Zeitraum
-Vergewaltigung als akut erzwungenen Geschlechtsverkehr
überwiegend von Angehörigen/ nahen Verwandten/ Bekannten der Familie; nur max. 10% dem Kind nicht bekannt
Häufigkeit unterschätzt; Verschleierungstendenzen
Schätzungen GB: 3 von 1000 Kindern zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens sexuell missbraucht
anonym durchgeführte neuere Erhebung: Prävalenzrate von 16%
Retrospektive Erhebungen USA: 1/3 aller Kinder mindestens eine sex. Erfahrung mit Erwachsenen (v. Exhibitionismus bis zum sexuellen Verkehr)
Geschlecht: Mädchen mehrfach erhöhtes Risiko >v.a. wd. Pubertät
21.7.2 KLINIK UND DIAGNOSTIK
Ø mehrheitlich Wohnung des Kindes, meist am Nachmittag
Ø häufig Belohnungsangebote, Zwang, Drohung, körperliche Gewalt
Ø Inzest zw. Vater und Tochter/ Geschwisterinzest häufigste Form
Ø Buben häufiger als Mädchen außerhalb der Familie
Ø Wg. Drohungen (Gewalt, Tod) häufig chron. sex. Missbrauch nicht aufgedeckt
Ø Von Fam. etc. für die Bestrafung des Täters einschließlich Haft verantwortlich gemacht
Ø Fortsetzung durch Passivität mitwissender Familienmitglieder
Ø Mütter geben Rolle der Ehefrau und Sexualpartnerin an Tochter ab
Ø Buben häufiger anal und zugleich körperlich misshandelt
Untersuchung:
·         Körperliche Symptome:
o   Genitale/ rektale Verletzungen/ Entzündungen
o   Fremdkörper in Urethral-, Genital- und/oder Rektalmündungen
o   Körperverletzungen an Brüsten, Gesäß, Schenkeln oder Unterleib
o   Geschlechtskrankheiten, Pilzinfektionen, rezid. Harnwegsinfekte
o   Schwangerschaft
·         Hinweiszeichen im Verhalten:
o   Altersunangemessene sexuelle Aktivitäten einschließlich exhibitionistischen Verhaltens, ausgeprägter sexueller Neugierde, zwanghafter Masturbation und Jugendlichen-Prostitution
o   Regressives Verhalten
o   Angststörungen, Trennungsangst (übermäßige Bindung anTäter)
o   Depressive Störungen
o   Schlafstörungen
o   Dissoziative Störungen
o   Beziehungs- und Kontaktstörungen (keine vertrauensvollen Beziehungen...)
o   Dissoziales und aggressives Verhalten
o   Nachlassen der Schulleistungen, Schulschwänzen
o   Unangemessenes Verhalten geg. Männern (Angst, verführerisch...)
o   Übermäßig angepasstes Verhalten
o   Pseudoreifes Verhalten
o   Sexuelle Identitätskonfusion bei Buben
o   Soziale Isolation (teils vom Täter forciert)
Exploration bedarf besonderer Sensibilität- folgende Infos wichtig:
·         Art, Beginn und Dauer des sexuellen Missbrauchs
·         Täterpersönlichkeit, Qualität der Beziehung zw. Täter und Opfer
·         Ort und Zeitpunkt des Missbrauchs
·         Art und Ausmaß der beteiligten Gewalt
·         Entwicklungsstand und die Persönlichkeit des Opfers
·         Kenntnisgrad und die Einstellung weiterer Familienmitglieder
·         Anlass und Kontakt für die Aufdeckung des sexuellen Missbrauchs
Für Familie> Strafandrohung > Bedrohung für Existenz der Familie > abwehrende und zudeckende Familienmitglieder häufig
Glaubwürdigkeit des Kindes nicht einfach zu beantwortende Frage bei Begutachtungen!
21.7.3 ÄTIOLOGIE
viele Täter psychiatrisch auffällig (Persönlichkeitsstörungen, paranoiden Zügen, Alkoholismus...) aktuelle Partnerbeziehungsstörungen, sexueller Entfremdung, Alkohol und Gewalt, über lange Zeit entwickelte Beziehungsunfähigkeit, Verstimmung und Unsicherheit, sozioökonomische Benachteiligung, Schweigen und Tolerieren durch Familie
21.7.4 THERAPIE
von der Art des Missbrauchs bestimmt (nur kurzfristiger Kontakt mit Exhibitionisten od. geringfügiger sexueller Manipulation bis chron. Missbrauch)
> von Krisenintervention bis hin zu mittel- oder längerfristigen Therapie
intensive Exploration und Verhöre unter Umständen traumatisierend
Haltung der Eltern, Elternreaktionen durch Beratungsprozesse geformt
·         Psychotherapie:
o   Kognitive Verhaltenstherapie
o   Einzelpsychotherapie- später (Jugendl.) evtl. Gruppentherapie
o   Fähigkeit zur Verbalisierung nicht bei allen Opfern gegeben
o   Verhaltenstherapeutische Massnahmen zur Behandlung der Ängste, Essstörungen, autodestruktiven Anteile
o   Spieltherapie
·         Vorübergehende Fremdunterbringung/ Bereitschaft des Täters Wohnung zu verlassen
·         Therapeutische Arbeit mit Familien (meist als Täter verantwortlichen Vätern) außerordentlich schwierig, meist nur aufgrund von Strafandrohung
·         Rolle der passiv mitspielenden Mutter> wesentliches Ziel der Therapie
·         Bei Haftstrafen für Täter häufig erneut Opfer im Sinne einer Schuldzuschreibung durch Familie > therapeutische Begleitung!!!
·         Multidimensionale Struktur der Behandlung: Einzel-/Gruppentherapie, Elternberatung, Familientherapie, Sozialarbeit, Notdienste, Kriseninterventionsangebote, Kinderschutzgruppe....
·         Primäre Präventionsprogramme: Behandlung von rückfallgefährdeten sexuellen Straftätern, Aufklärung von Kindern, gesellschaftliche Bewertung von Sexualität und deren Folgen für Entwicklung von Kindern
21.7.5 VERLAUF UND PROGNOSE
weitreichende Auswirkungen der erfahrenen Traumatisierungen: emotionalen Reaktionen, psychischen Funktionen, Beziehungsfähigkeit, sex. Entwicklung, sozialen Entwicklung...
Psychische Folgen: Depressionen, Ängste, Essstörungen, Spannungszustände, Suizidhandlungen, Gefühle der Isolation und Wertlosigkeit, Drogenmissbrauch, antisoziale PS, erneute Täterschaft (Männer)...
Vertrauen beeinträchtigt
gehäuft erneut Opfer (Ehe, Partnerschaft...) von sexueller Gewalt
Gehäuft ängstlich, schuldbeladen und unzufrieden
promiskuöses Sexualverhalten, Prostitution
Homosexualität, Drogenmissbrauch bei männl. Opfern
Nach sex. Missbrauch 20-40% der Kinder psych. Gestört
knapp 20% auch im Erwachsenenalter bedeutsame psychische Störung
Prognostisch ungünstige Faktoren:
o   Missbrauch durch Väter/ Stiefväter ungünstiger
o   Genitaler Verkehr
o   Anwendung von Gewalt
o   Sex. Missbrauch durch Männer > durch Frauen/ Jugendliche
o   Keine Unterstützung der Opfer durch Familie und/oder Opfer aus Familie genommen werden müssen
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